Harry Roth in Waldkirch gerettet

20.07.2006 Nach 8 Jahren im Konkurs geht die Zitterpartie zu Ende.Harry Roth wurde verkauft.

Badische Zeitung vom Donnerstag, 20. Juli 2006

Neue Chance für Dreherei

WALDKIRCH. Mittelständler aus dem Schwarzwald kauft die Harry Roth GmbH aus dem Konkurs

Von unserem Mitarbeiter Heinz Siebold

WALDKIRCH. Konkurs muss nicht Bankrott sein. Das haben Insolvenzverwalter Reinhard Blumenthal, die Sparkasse Freiburg-Nördlicher Breisgau, Betriebsrat und Belegschaft der Dreherei Harry Roth GmbH i. K. und die IG Metall in einer bemerkenswert hartnäckigen, acht Jahre andauernden Rettungsaktion bewiesen: Am Dienstag konnte die ungewöhnliche Koalition bekannt geben, dass die Eigentümer der Metallwarenfabrik Kaiser in Mönchweiler bei Villingen das Waldkircher Unternehmen komplett zum 1. September übernehmen wird.

Den verbliebenen 100 (von früher 150) Beschäftigten stand die Erleichterung im Gesicht, der neue Eigentümer, Familie Bischoff, hat sich eindeutig zum Standort bekannt und Investitionen in den veralteten Maschinenpark angekündigt. Ein Kaufpreis wurde nicht genannt.

Der Insolvenzverwalter konnte sich nicht nur wegen der extremen Temperaturen am Dienstagnachmittag die Schweißperlen von der Stirn wischen, es war höchste Zeit, die Insolvenz endlich zu beenden. Steuerberater Reinhard Blumenthal hat in seiner langjährigen Praxis schon viel erlebt, aber noch keine solche Hängepartie, die ständig zu scheitern drohte. "Das hat mich vielfach um den Schlaf gebracht" , gestand Blumenthal am Dienstag vor der Belegschaft des jetzt fast 70 Jahre alten Metallbetriebes, die mit Lohnverzicht ihren Beitrag geleistet hat. Denn Blumenthal habe sich "weit über das übliche Maß hinaus" für den Bestand des ganzen Unternehmens engagiert, lobte IG-Metall-Geschäftsführer Hermann Spieß aus Freiburg.

"Er ist sogar selbst ins Obligo gegangen" , betonte Sparkassen-Chef Horst Karry. Gemeint ist eine Bürgschaft, die der Insolvenzverwalter übernommen hatte, was sehr unüblich ist. Der Sparkasse wiederum wurde attestiert, dass sie sich nicht wie eine "Heuschrecke" , so Hermann Spieß, benommen, sondern verantwortungsvoll wie zu einem "Patienten auf der Intensivstation" gestanden habe.

Noch humple dieser Patient noch ein wenig, aber mit etwas Geduld und Vertrauen werde er wieder an alte Leistungen anknüpfen. Denn irgendwas muss an diesem Hersteller von Präzisionsteilen dran sein, dass ihm bekannte Kunden wie der Technikkonzern Liebherr auch in den wackligen Zeiten die Treue gehalten haben. Präzise gedrehte Teile aus Edelstählen von Harry Roth werden zum Beispiel im Airbus verwandt. Auch in der Medizintechnik, im Maschinenbau und bei den Automobilzulieferern hat Präzisionsarbeit aus Waldkirch einen guten Namen.

Und so ist es jetzt zu einer keineswegs unfreundlichen Übernahme von Harry Roth durch ein ganz ähnliches mittelständisches Unternehmen aus dem Schwarzwald gekommen. Die Metallwarenfabrik Kaiser aus dem Schwarzwald hat ein vergleichbares Profil, auch sie stellt Präzisionsdrehteile aus Metall, insbesondere aus Messing und Aluminium für Medizin-, Elektro- und Fahrzeugtechnik her. Das Unternehmen macht mit 25 Mitarbeitern rund vier Millionen Jahresumsatz und gehört der Familie von Manfred Bischoff, der mit Gattin Erika und den Söhnen Klaus und Robert zur Betriebsversammlung in die Siensbacher Straße kam, um für einen gemeinsamen Neuanfang zu werben. Der 53-jährige Betriebswirt hat nicht nur Investitionen versprochen, er ist mit zwei kürzlich gelieferten CNC-Maschinen bereits in Vorleistung gegangen. Beide Firmen ergänzten sich sehr gut, betonen die neuen Eigentümer, die nicht nur in Maschinen investieren wollen, sondern längerfristig auch einen Neubau in Waldkirch planen.

Letzte Änderung: 21.11.2007