Fragen an Tobias Pflüger (DIE LINKE)

IG Metall Bundestagswahl 2017

15.09.2017 Wahlprüfsteine des IG Metall OJA Freiburg zur Bundestagswahl 2017

Der OJA (Orts Jugend Ausschuss) der IG Metall Freiburg hat sich im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 Gedanken gemacht, wie man mit einer Aktion die Bundestagswahlen begleiten kann. Wir haben beschlossen, den Direktkandidierenden aus dem Wahlkreis Freiburg unsere Fragen zu stellen. Die Insgesamt 6 Fragen haben wir an die Kandidatinnen und Kandidaten von CDU, SPD, GRÜNE, DIE LINKE, FDP und AfD gesendet. Rückmeldung erhielten wir von Matern von Marschall (CDU), Julien Bender (SPD), Kerstin Andreae (GRÜNE) und Tobias Pflüger (DIE LINKE).

Hier sind die Antworten von Tobias Pflüger (DIE LINKE):

Frage 1: Die aktuelle Bundesregierung hat das BBiG begutachtet, jedoch nicht novelliert. Wo sehen Sie und Ihre Partei im BBiG Reformbedarf und würden Sie eine Novellierung in der kommenden Legislaturperiode vorantreiben?

Antwort: Wir wollen eine grundlegende Reform des Berufsbildungsgesetzes. Folgende Punkte stehen für uns dabei im Mittelpunkt: > eine Mindestausbildungsvergütung > klare Einhaltung der vereinbarten, wöchentlichen Arbeitszeit > einfache Beschwerdemöglichkeiten > einen geeigneten Betreuungsschlüssel von Ausbildern und Azubis. Nicht zuletzt fordern wir einen Rechtsanspruch auf eine vollqualifizierende Ausbildung.

Frage 2: Wie stehen Sie zu einer Veränderung des Rentensystems und was wären dabei Ihre Ansätze?

Antwort: Die Rentenpolitik der vergangenen Regierung(en) führt schlichtweg für viele Menschen in die Altersarmut. 2,7 Millionen Menschen die aktuell ab ihrem 65. Lebensjahr in Armut leben, sind ein Armutszeugnis für ein reiches Land wie Deutschland. Wir wollen sofort zurück zu einem Rentenniveau von 53 %, dann kann man sich auch die Riesterrente sparen, die vor allem die Taschen der Versicherungskonzerne gefüllt hat. Wir wollen die Renten dadurch finanzieren, dass wieder alle Einkommen in eine gesetzliche Rentenversicherung einzahlen und Besserverdienende (ab 10.000 EUR/Monat) deutlich mehr einzahlen. Wir machen uns darüber hinaus für eine betriebliche Altersvorsorge stark, die hauptsächlich von Arbeitgebern getragen wird. Die Rente mit 67 muss weg: es kann nicht sein, dass Menschen durch die entsprechenden Abschläge gezwungen werden bis zum Umfallen zu arbeiten. Ab 65 kann jeder sofort abschlagsfrei in Rente gehen - das ist finanzierbar. Wenn Menschen mindestens 40 Jahre Beiträge gezahlt haben, sollen sie bereits ab 60 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen können. Perspektivisch sollen alle ab 60 Jahren in Rente gehen können.

Frage 3: Viele Jugendliche finden keinen Ausbildungsplatz, gleichzeitig gibt es zahlreiche unbesetzte Ausbildungsstellen. Wo sehen Sie Handlungsmöglichkeiten, um Junge Menschen eine Ausbildung zu ermöglichen?

Antwort: Von Arbeitgeberseite wird ja oft von der mangelnden Qualifizierung vieler potentieller Auszubildenden gesprochen. Das halte ich für absoluten Quatsch, es geht darum die Qualität der Ausbildung zu verbessern. Wenn (laut DGB) über die Hälfte der Azubis über zu hohe Arbeitsbelastung klagt, dann stimmt was nicht im System. Viele geben an auch krank zur Arbeit zu gehen, andere werden schlichtweg als billige Arbeitskraft ausgebeutet. Wie in der Antwort zum BBiG bereits geschrieben: die Qualität der Ausbildung insgesamt muss steigen (sowohl die Rahmenbedingungen, als auch die Entlohnung), dann wird die Sache auch wieder attraktiver für junge Menschen.

Frage 4: Durch Entwicklungen wie "Industrie 4.0" und die Digitalisierung steht die Arbeitswelt vor großen Veränderungen. Wo sehen Sie im Zuge der "digitalen Revolution" in der Arbeitswelt gesetzliche Handlungsfelder?

Antwort: Ich sehe in den Entwicklungen eigentlich eher Chancen als Risiken, aber das wird nur der Fall sein, wenn von Seiten der Gewerkschaften (und natürlich auch der LINKEN), ordentlich Druck auf die Arbeitgeber und die herrschende Politik ausgeübt wird. Die weitergehende Automatisierung vieler Arbeitsbereiche ist eine Steilvorlage, um auf eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich zu drängen! Mich freut es sehr, dass die IGM erste Forderungen in diese Richtung stellt. Was die Digitalisierung angeht: für viele Arbeitgeber scheint diese Entwicklung ein willkommenes Einfallstor für eine weitere "Flexibilisierung" des Arbeitsplatzes zu sein. Eine gerechte Entlohnung, geregelte Arbeitszeiten müssen auch bei neuen, digitalen Arbeitsplätzen Pflicht sein. DIE LINKE wendet sich gegen eine Aushöhlung von Mitbestimmungs- und Schutzrechten, auch in der Arbeitswelt des "crowdworking". Außerdem müssen Arbeitgeber und Politik für kostenlose Weiterbildungsmaßnahmen für Beschäftigte sorgen, um sich den neuen Realitäten der Arbeitswelt anpassen zu können.

Frage 5: Wie stellen Sie sich die Zukunft der Europäischen Union vor?

Antwort: Seit ich politisch aktiv bin, bin ich Internationalist. Bei vielen Protesten und politischen Initiativen, arbeite ich mit Aktivist*innen aus ganz Europa und der Welt zusammen. Ich weiß daher, was internationale Solidarität bewirken kann. Leider ist die Institution Europäische Union in dieser Hinsicht eher ein Hindernis, als eine Hilfe: durch ihre unsoziale Sparpolitik - neben der der Regierungen der Einzelstaaten - gegen Südeuropäische Länder, ihre undemokratische Verfasstheit und ihre tödliche Grenzpolitik, spielt sie die Einzelstaaten gegeneinander aus. Ich bin - wie DIE LINKE - für einen Neustart der Europäischen Union, mit neuen Verträgen, nach sozialen, ökologischen demokratischen Kriterien.

Frage 6: Welche Veränderungsbedarfe sehen Sie in der EU?

Antwort: Eine Zusammenarbeit in Europa kann nur funktionieren, wenn sie den Menschen dient und nicht den Interessen der Konzerne und der Herrschenden. Was wir brauchen ist ein demokratisches, abgerüstetes Europa, gemeinsame, gute soziale Standards und eine europaweite, solidarische Flüchtlingspolitik. Nur dann kann es mit Europa klappen. Ich bezweifle, dass die Institutionen der EU in ihrer derzeitigen Verfasstheit einen guten Beitrag dazu leisten können. Die Errungenschaften in der Union, wie etwa die Reisefreiheit, wurde von unten erkämpft, etwa von Menschen die Zäune und Mauern eingerissen haben und nicht von denen, die sie aufgebaut haben. Wenn wir also soziale Veränderungen in Europa wollen, müssen wir sie uns erkämpfen. Auf der Straße, an den Außengrenzen, in den Betrieben, Unis und Schulen - gemeinsam mit unseren Freund*innen aus allen Ländern!

Letzte Änderung: 15.09.2017