Rüstung und sichere Arbeitsplätze

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13.08.2014 Interview mit IG Metall-Geschäftsführer aus Freiburg Hermann Spieß über Rüstungsunternehmen und sichere Arbeitsplätze in der Wochenzeitschrift für Baden >>DER Sonntag<<

Quelle: Der Sonntag * 10.August 2014 von KLAUS RIEXINGER

Die kriegen ein Problem

Interview mit Freiburgs IG-Metall-Chef Spieß über RÜSTUNGSUNTERNEHMEN und sichere Arbeitsplätze

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel will die Rüstungsexporte durch verschärfte Ausfuhrgenehmigungen verringern. Hermann Spieß, Geschäftsführer der IG Metall Freiburg, fordert Waffenproduzenten auf, sich unabhängiger von Militäraufträgen zumachen.

Herr Spieß, was sagt die IG Metall zu Rüstungsexporten in Krisenregionen und in Diktaturen?

Ein klares Nein. Schließlich geht es um Menschenleben und Frieden. Wir Gewerkschaften fühlen uns da sehr eng mit der Friedensbewegung verbunden. In der Regel sind es auch die Arbeitnehmer, die in den Schützengräben und auf den Flugzeugträgern sterben. Deswegen sind wir ganz klar für ein Verbot von Lieferungen in Krisenregionen und in Diktaturen - gleichwohl sind wir uns bewusst, dass das Auswirkungen auf die Beschäftigung haben kann.

Würden Sie diese Position auch bei einer Betriebsversammlung von Heckler und Koch in Oberndorf oder beim Navigationsgerätehersteller Litef in Freiburg so eindeutig vertreten?

Ja. Diese Meinung haben wir bei Litef in Freiburg immer vertreten. Litef hat in den 70er Jahren sehr massiv die Konversion - also die Umwandlung von militärischer in zivile Produktion betrieben. Litef war damals zu 100 Prozent militärisch ausgerichtet.
Wir waren der Meinung, dass es nicht sein kann, dass so viele qualifizierte Beschäftigte ausschließlich für die Rüstung arbeiten. Wir wollten Alternativen, die das Unternehmen krisenfester machen. Es war mit einem Verdienst des Vertrauenskörpers der IG Metall, dass Litef heute rund 50 Prozent zivile Fertigung hat. Auf dieser Basis kann man sich auch erlauben, heikle Aufträge abzulehnen. Das gilt nicht nur für die Rüstung. Nehmen wir das Beispiel Korruption. Was machen wir, wenn es nur Aufträge aus Ländern gibt, in denen Korruption herrscht? Sagen wir dann: Okay, lasst euch bestechen? Auch das tun wir nicht.
Unternehmen müssen in der Lage sein, Aufträge auszuwählen. Wenn ich weiß, dass mit Geräten aus meiner Produktion Menschen unmittelbar getötet werden oder dass die Aufträge aus korrupten Staaten kommen, dann muss ich nein sagen können. Ich sehe darin keinen Konflikt, sondern eine Chance.

Nun ist es auch kein Geheimnis, dass die IG Metall in ihren Reihen
Selbst Gegner der Rüstungsbegrenzung hat.

Mir ist kein solcher Fall bekannt. Ich möchte aber klarstellen, dass wir nicht grundsätzlich gegen Rüstungsindustrie sind. Wir sind auch nicht gegen die Bundeswehrund gegen eine Verteidigungsarmee. Da stehen wir offen dazu. Wir haben in Rüstungsunternehmen hochqualifizierte Leute sitzen, die können auch anderes - da bin ich mir sicher.

Der IG-Metall-Beauftragte des Rüstungskonzerns EADS hat sich 2011 für den Bau einer Aufklärungsdrohne starkgemacht, an der das Bundesverteidigungsministerium das Interesse verloren hatte.

Bei dem Auftrag hat es sich um eine Aufklärungsdrohne für die Bundeswehr gehandelt, der für die Belegschaft eine hohe Beschäftigungssicherung gebracht hätte. Da wird sich jede Belegschaft engagieren, um solche Aufträge zu erhalten.

Die Eigentümer von Litef in den USA dürften nicht sehr beeindruckt sein von Forderungen der Betriebsräte oder der IG Metall Freiburg. Bei denen steht der Gewinn im Vordergrund.

Das ist das Wesen des Unternehmers (lacht). Es ist uns dennoch gelungen, Litef schrittweise umzubauen. Damals gab es Arbeitsgruppen mit Entwicklern, die Dann auch zivile Produkte entwickelt haben. Und es funktioniert. Litef hat den Mix geschafft. Die Arbeitsplätze sind dadurch sicherer geworden.

Wenn aber die IG Metall Teil der Friedensbewegung sein will, können Sie sich nicht mit 50 Prozent zufriedengeben.

In Anbetracht der Konflikte auf dieser Welt weiß ich nicht, ob es gut ist, ganz auf Rüstungsindustrie zu verzichten. Da spreche ich für den Großteil der Bevölkerung. Ich wollte in keinem Staat leben, der nichtwehrfähig ist. Es ist gut zu wissen, dass es eine Macht im Staat gibt, die Übergriffe von außen abwehren kann. Und ich habe kein Problem damit, dass es hier bewaffnete Polizisten gibt.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel empfängt demnächst Betriebsratsvorsitzende von Rüstungsunternehmen- auch aus unserer Region. Wie gehen Betriebsrätemit Dem Spagat "Frieden oder Arbeitsplatzerhalt" um?

Unterschiedlich. Wenn wir Betriebsräte haben, die sich dem
Thema mit langem Atem widmen, dann können sie schon was erreichen. Andere sagen: Nö, wir verdienen doch gutes Geld mit unseren Waffen und brauchen sonst nichts. Die kriegen langfristig ein Problem, wenn tatsächlich 10 oder 20 Prozent der Aufträge wegbrechen. Unabhängig von der Rüstungsfrage ist es immer ein Problem, Abhängigkeiten von einem Produkt zu haben.
DAS GESPRÄCH FÜHRTE
KLAUS RIEXINGER

Letzte Änderung: 13.08.2014