Ausbildungschancen für Hauptschüler

Podiumsdiskussion

21.01.2009 Podiumsdiskussion "Chancen für alle!?- Berufliche Ausbildung in der Region-

Quelle: Badische Zeitung vom 21.01.09, Thomas Loisl Mink

Auf den Einzelnen eingehen
LÖRRACH. Eine individuellere Ausgestaltung der Berufsausbildung, stärker aus einzelnen Modulen aufgebaut, die nach oben hin durchlässiger sein sollen als bisher - das wünschen sich die Teilnehmer einer Diskussion über die Chancen von Hauptschülern. Auf Einladung der Jusos im Landkreis Lörrach diskutierten Fachleute aus der Region am Montagabend im Alten Wasserwerk über das Thema "Chancen für alle!?"

Im vergangenen Jahr war der Lehrstellenmarkt ausgeglichen, es gab vier Lehrstellen mehr als Bewerber, berichtete Wolfgang Kolep von der Arbeitsagentur. Allerdings gingen von 2259 Bewerbern nur 1222 in eine Ausbildungsstelle. 493 besuchten eine weiterführende Schule, 32 machten ein soziales Jahr, 265 nahmen Förderangebote wahr und 247 haben sich bei der Arbeitsagentur nicht mehr gemeldet. In weiterführenden Schulen findet man eher die intelligenteren Schulabgänger, während in Berufsvorbereitungsmaßnahmen diejenigen sind, denen die Voraussetzungen dafür fehlen, meinte Jürgen Lussi von der IG Metall. Ein Berufschullehrer unter den Zuhörern bestätigte das. Der SPD-Landtagsabgeordnete Alfred Winkler kritisierte, die duale Berufsausbildung sei das einzige Bildungssystem, das konjunkturabhängig sei. In den vergangenen 25 Jahren fielen 25 Prozent der Ausbildungsplätze weg. Die qualifizierten Arbeitsplätze seien in diesem Zeitraum um 180 Prozent gestiegen. "Die einfach Ausgebildeten braucht man nicht mehr, ganz zu schweigen von den gar nicht Ausgebildeten", sagte Winkler.

"Wir sollten keine Katastrophenstimmung verbreiten", sagte Michael Rumpff von der IHK. "80 Prozent der Schüler machen ihren Weg direkt und sind zum Teil sehr gute Leute", berichtete er. "Ein Problem haben wir mit den Leuten, die intelligent genug wären, aber es nicht umzu setzen wissen und sich nicht motivieren lassen", betonte Rumpff. "Gute Schüler haben keine Schwierigkeiten, eine Ausbildungsstelle zu finden", bekräftigte Wolfgang Kolep. Viele Hauptschüler hätten aber große Defizite in der Sprachkompetenz und seien nicht ausbildungsfähig, oft fehlten auch soziale Kompetenzen wie Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit. "Die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule wird das nicht lösen", sagte Kolep.

Michael Rumpff bestätigte, dass die Ausbildungsberufe immer komplexer werden. Daneben würden aber Ausbildungsberufe mit geringeren Anforderungen und nur zwei Jahren Lehrzeit entwickelt: "Die Menschen sind unterschiedlich, und deshalb müssen wir individuell auf den Einzelnen eingehen."

Jürgen Lussi erklärte, die IG Metall habe bei der Entwicklung der zweijährigen Lehrberufe mitgewirkt. Er beobachtet aber, dass die Industrie, insbesondere im Automobilbereich, wo oft nur ganz wenige spezielle Tätigkeiten ausgeübt werden müssen, verstärkt geringer ausgebildete Leute einsetzt, die auch erheblich weniger verdienen. Wenn diese arbeitslos werden, haben sie deutlich schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, weil sie weniger können.

Alfred Winkler hat beobachtet, dass viele Schüler gar keine Vorstellung von Berufen haben. Das wurde von einer Zuhörerin bestätigt, die meinte, wenn mehr Informationen über Berufe da wären, würde das die Schüler motivieren, sich die nötigen Qualifikationen für ihren Wunschberuf anzueignen. Die IHK bemühe sich inzwischen, Schulen und Betriebe zusammenzubringen, was aber nicht einfach sei, berichtete Rumpff. Und teilweise herrschten in Schulen falsche Vorstellungen. Der Leiter eine Realschule habe ihm einmal gesagt, er bilde seine Schüler nicht für die Wirtschaft aus, sondern für die Universität. "Schüler, die auf so einer Schule sind, haben Pech", sagte Michael Rumpff.

Letzte Änderung: 21.01.2009