Brief an die Bundestagsabgeordneten

09.01.2007 Presseinformation zum Thema Rente mit 67, Briefe an die Bundestagsabgeordneten aus dem Zuständigkeitsbereich der IG Metall Freiburg.

Pressemitteilung der IG Metall Freiburg
09.01.2007

Betriebsratsvorsitzende gegen Rente mit 67
Bundestagsabgeordnete zur Nachtschicht eingeladen

Freiburg: Die Volksvertreter aller Parteien erhielten neulich Post von den Arbeitnehmervertretern der Metall- und Elektrobranche. Über 20 Betriebsratsvorsitzende haben in einem gemeinsam verfassten Brief an die Bundestagsabgeordneten ihre ablehnende Position gegen eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit auf 67 Jahre mitgeteilt. Als Mitunterzeichner sind auch zahlreiche Betriebe dabei, in denen eine große Erfahrung mit der Altersteilzeit gemacht wurde. "Mit diesem Instrument sind sehr viele unserer Mitarbeiter in den vorzeitigen Ruhestand gegangen, ja zu Großteilen in Richtung Rente geflüchtet," so Dieter Hügle, Betriebsratsvorsitzender der Alcan Tscheulin in Teningen. "Arbeiten in Drei-schicht, arbeiten an Wochenenden und das alles unter hohem Leistungsdruck. Wie soll das denn bis 67 Jahre gehen?" fragt sich Hügle genauso wie seine mitunterzeichnenden Kolleginnen und Kollegen aus den Betriebsräten der Region. Die Betriebsräte machen deutlich, dass sie als Vertreter der Beschäftigten sich um die Arbeitsbedingungen in den Betrieben kümmern müssen. In dem Schreiben werden die Bundestagsabgeordneten eingeladen, eine Nachtschicht in einem der Betriebe zu machen, damit die Volksvertrter sich ein besseres Bild über die Arbeitsbedingungen in der Industrie machen können.

Jugendarbeitslosigkeit als Folge der Rente erst mit 67 ist ein weiteres Thema, das von den Betriebsratsvorsitzenden thematisiert wird. In der Branche wurde tariflich vereinbart, dass junge Menschen nach Ende der Ausbildung auch mindestens ein Jahr übernommen werden. Diese Übernahme ist dadurch gefährdet, dass durch die Verlängerung der Arbeitszeit im Betrieb keine Ersatzarbeitsplätze für die jungen Menschen zur Verfügung stehen würden. "Wir sehen die große Sorge, dass wir den jungen Menschen am Ende der Ausbildung sagen müssen, dass sie jetzt in die Arbeitslosigkeit entlassen werden statt hier bei uns in den Betrieben ihre Zukunft beginnen zu können," so Gustav Kasper, Betriebsratsvorsitzender der SICK AG in Waldkirch.

Die Arbeitnehmervertreter erwarten von den Bundestagsab-geordneten eine klare Aussage ihrer Position zur Rente erst ab 67 Jahren. Schließlich vertreten sie weit über 10.000 Beschäftigte in der Region, die gemeinsam mit ihren Familien-angehörigen eine nicht zu unterschätzende Wählerzahl bilden. Über die einzelnen Positionen werden die Belegschaften dann wohl entsprechend auch unterrichtet werden.

Freiburg 09.01.2007

Insgesamt erhielten einen Brief:
Peter Weiß, Thomas Dörflinger (beide CDU/CSU), Gernot Erler, Marion Caspers-Merk, Rita Schwarzelühr-Sutter und Elvira Drobinski-Weiss (alle SPD), Kerstin Andreae und Alexander Bonde von Bündnis90/Die Grünen.

Brief an die Bundestagsabgeordneten:

Herrn/Frau
Mitglied des Bundestages

Sehr geehrter Herr/Frau,

wir sind Betriebsräte der Metall und Elektro- und der Textilindustrie und wurden von den Beschäftigten in den Betrieben gewählt, deren Interessen zu vertreten. Genauso wie Sie als Volksvertreter müssen wir das Wohl unserer Wähler und der Wirtschaft in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen.

Mit großer Sorge betrachten wir die Pläne der Bundesregierung, die Rente erst mit 67 zuzulassen und gleichzeitig das Altersteilzeitgesetz auslaufen zu lassen. In unseren Betrieben werden zum Teil Schichten rund um die Uhr gefahren und dies auch noch von Sonntag Abend bis Samstag Nacht. Können Sie sich vorstellen, wie diese Menschen mit fast 67 Jahren diese z.T. körperlich schweren Arbeiten ausführen sollen ?

Die Arbeitsverdichtung in der Produktion , der Entwicklung oder der Verwaltung hat rasant zugenommen. Ihre Wählerinnen und Wähler haben mit zunehmenden Alter Probleme, dies noch gesund durchzuhalten. Es ist eine unserer wichtigsten Aufgabe als Betriebsräte, für gute Arbeitsbedingungen in den Betrieben zu streiten; dennoch sind die Umständen leider nicht so, dass alle ohne Probleme bis 67 Jahre arbeiten können. Im Gegenteil: in den Betrieben finden Sie kaum noch Arbeitnehmer, die älter als 60 Jahre sind. Zusätzlich führen die Regierungspläne zu massiven Rentenkürzungen. Die können sich unsere Beschäftigten schlichtweg nicht leisten.

In unserer Branche ist es uns gelungen, jungen Menschen nach der Ausbildung eine auf 1 Jahr befristete Übernahme zu sichern. Zumeist wird diese dann unbefristet übernommen. Durch ihre Pläne, die Lebensarbeitszeit drastisch zu verlängern, werden weniger Plätze durch Rentenzugang frei und wir werden weniger junge Menschen übernehmen können; eine drastische Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit wäre die direkte Folge.

Wir vertreten über 10.000 Beschäftigte in unserer Region. Diese wollen wissen, wie Sie zu den Plänen der Regierung stehen. Bitte teilen Sie uns Ihre Position und Ihr geplantes Abstimmungsverhalten mit. Wir werden diese dann in unseren Betrieben veröffentlichen und die Öffentlichkeit darüber informieren. Unser Positionen sind Ihnen sicherlich bekannt. Wir unterstützen die Forderungen der IG Metall zu einer solidarischen Altersversorgung.

Sehr geehrte/r Herr/Frau, wir möchten Sie herzlich einladen, sich vor Ort ein Bild über die Situation der Beschäftigten zu machen. Wir schlagen Ihnen vor, dass Sie eine Nachtschicht in einer der unten genannten Betriebe gemeinsam mit unseren Beschäftigten verbringen, um einen besseren Einblick in die Arbeitsbedingungen zu gewinnen. Zur Terminvereinbarung setzten Sie sich bitte mit Herrn Hermann Spieß von der IG Metall in Verbindung.

Wir sehen einer Antwort von Ihnen entgegen und verbleiben

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag der Unterzeichnern : Hermann Spieß
Geschäftsführer
IG Metall Freiburg

Unterzeichner:
Gustav Kasper, Betriebsratsvorsitzender SICK AG, Waldkirch
Walter Baireuther, Betriebsratsvorsitzender MICRONAS , Freiburg
Josef Furtwängler, Betriebsratsvorsitzender SIEMENS , Freiburg
Bruns Johannes, Betriebsratsvorsitzender MSC-Freiburg, Freiburg
Gabriele Zängle, Betriebsratsvorsitzende COATS , Kenzingen
Roland Dickele Betriebsratsvorsitzender Vishay , Freiburg
Jürgen Lamb Betriebsratsvorsitzender EFD Induction , Freiburg
Laszlo Farkas Betriebsratsvorsitzender FISCHER , Denzlingen
Horst Knödler Betriebsratsvorsitzender GLAS-MEYER, Freiburg
Wolfgang Harter Betriebsratsvorsitzender IMS:GEAR, Eisenbach
Karl Wursthorn Betriebsratsvorsitzender FRAMO MORAT , Eisenbach
Edgar Sailer Betriebsratsvorsitzender ALCATEL-LUCENT SEL, Bonndorf
Michael Hensle Betriebsratsvorsitzender SCHNEIDER, Kenzingen
Franz Schwörer Betriebsratsvorsitzender ZEHNDER, Riegel
Gunar Fortwängler Betriebsratsvorsitzender BADEN-AUTO, Freiburg
Franz Willmann Betriebsratsvorsitzender DAIMLERCHRYSLER, Freiburg
Lothar Meyer Betriebsratsvorsitzender. GE Healthcare, Freiburg
Dieter Hügle Betriebsratsvorsitzender, ALCAN, Teningen
Michael Rösch Betriebsratsvorsitzender, AVAYA Service, Freiburg
Adalbert Meier Betriebsratsvorsitzender, INDUSTRIE Automation. Buchheim
Roland Rombach Betriebsratsvorsitzender, Gould, Eichstetten
Hermann Spieß Geschäftsführer IG Metall, Freiburg

Letzte Änderung: 21.11.2007