Acht Punkte für mehr Qualität im Studium

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21.12.2009 Acht-Punkte-Programm

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IG Metall legt acht Punkte für mehr Qualität im Studium vor

Der Bildungsstreik 2010 ist in der zweiten Runde. Viele Hörsäle an deutschen Hochschulstandorten sind derzeit besetzt. Die IG Metall unterstützt die Aktionen der Studierenden und sendet ihren solidarischen Gruß an alle Hochschulstandorte und alle Beteiligten im Bildungsstreik.

Konkret fordert die IG Metall in acht Punkten:

1. Die IG Metall fordert die Abschaffung der Studiengebühren !

Studiengebühren sind unsozial und verstärken die finanziell schwierige Situation der Studierenden. Außerdem halten sie viele junge Menschen insbesondere aus einkommensschwachen Familien vom Studieren ab. Die Aussicht, das Berufsleben mit einem Schuldenberg zu beginnen ist nicht gerade attraktiv. Hessen hat gezeigt, dass eine Abschaffung von Studiengebühren möglich ist. Die Bundesländer, die noch immer an Studiengebühren festhalten, sollten sich daran ein Beispiel nehmen.

2. Herabsetzung der Workload und Sicherung von Selbstlernanteilen!

Die Arbeitsbelastung der Studierenden ist unangemessen hoch. Sie beträgt pro Jahr in Deutschland bis zu 1800 Stunden. Diese Stundenbelastung geht meilenweit an der sozialen Realität vorbei. Die Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks zeigt, dass ca. 60 Prozent der Studierenden zusätzlich jobben müssen. Mehr als 25 Prozent kommt so auf eine wöchentliche Arbeitsbelastung von mehr als 50 Stunden. Im europäischen Durchschnitt gehört Deutschland damit zu den Spitzenreitern, was die Arbeitsbelastung für ihre Studierenden angeht. Der Bologna-Prozess lässt weitaus mehr Spielraum zu, als ihn Hochschulen, Dozenten und Akkreditierungsagenturen nutzen. Insbesondere werden die Anteile für Selbststudium nicht ausreichend eingeräumt. Ein gutes Studium muss auch studierbar sein. In eine ähnliche Richtung geht die dritte Forderung.

3. Die Anzahl der Prüfungen muss überprüft werden !

Die Prüfungsmenge in den neuen modularisierten Studiengängen hat die bedrückende Situation der Studierenden verstärkt. Statt die Möglichkeiten, die Bologna bietet, voll und im Interesse der Studierenden auszuschöpfen haben die Hochschulen die Verschulung und Bürokratisierung verstärkt. Zu kritisieren ist auch die Art der Prüfung: während die Studiengänge Kompetenzen ausbilden sollen, werden in den meisten Prüfungen ausschließlich Wissensbestände abgefragt.

4. Ein Bachelor muss nicht in sechs Semestern studiert werden!

Bologna bietet die Möglichkeit Studieninhalte für einen Bachelor in sechs bis acht Semester zu vermitteln und zu lernen. In Deutschland hat die Einführung des Bachelor/Mastersystems häufig an den Universitäten dazu geführt, dass Studieninhalte aus alten Diplom- und Magisterabschlüssen in einen sechssemestrigen Bachelor gepresst wurden, ohne zu prüfen, welche Inhalte nicht mehr relevant sind oder auf andere Art und Weise vermittelt werden können. Die von den Unternehmen benötigten "EierlegendenWollMilchSäue" gibt es auch nicht nach sechs Semestern Bachelor-Studium. Bezogen auf die Ingenieurstudiengänge stellt die IG Metall fest: ein Bachelor of Engineering muss mindestens sieben Semester aufweisen!

5. Gute Ausstattung = gute Lernvoraussetzungen!

An vielen Hochschulen mangelt es schlicht an der Ausstattung. Dies reicht von zu wenigen Laborplätzen über veraltete Technik bis hin zu überfüllten Hörsälen. In einigen Bundesländern haben die Wissenschaftsminister vor der Einführung der Studiengebühren die Mittel für Hochschulen drastisch gesenkt - mit den Studiengebühren ist das gar nicht zu bewerkstelligen, was an Infrastruktur an deutschen Hochschulen fehlt. Die Bundesregierung will 12 Mrd EUR in der gesamten Legislaturperiode zusätzlich für den Bildungsbereich mobilisieren. Der DGB fordert, dass dieser Betrag jährlich mobilisiert werden muss.

6. Die IG Metall fordert eine gute Qualität der Lehre! Die neuen Studiengänge müssen als wissenschaftliche Berufsausbildung konzipiert werden!

Die Studieninhalte müssen auf pädagogisch wertvolle Art und Weise lernbar sein. Nur dann können die Studierenden ihr erlerntes Wissen einbringen. Dozenten sollten auf ihre Lehrtätigkeit vorbereitet werden um einen entsprechend qualitativ hochwertigen Beitrag für die Ausbildung der Studierenden leisten zu können. Die neuen Studiengänge sollen berufsqualifizierend sein. Davon sind wir meilenweit entfernt. Die IG Metall fordert, die neuen Studiengänge als wissenschaftliche Berufsausbildung anzulegen.

7. Die IG Metall fordert die thematische Straffung der Studienangebote und mehr Transparenz für Studierende, Hochschulen und Betriebe!

Im Sommersemester 2009 bieten die Hochschulen 5.309 Bachelor- und 4.201 Masterstudiengänge an. Im Bereich der Ingenieurwissenschaften existieren 1339 Bachelor- und 921 Masterstudiengänge. Die Hochschulen haben bei der Gestaltung der Studiengänge vielfach sehr spezialisierte und differenzierte Studienangebote geschaffen. Dies ging auf Kosten der Transparenz. Dagegen hilft die Verständigung auf Mindestinhalte und gemeinsame Standards in den Fächergruppen.

8. In den Reakkreditierungsverfahren nicht die selben Gutachergruppen in den selben Studiengängen einsetzen!

Seit es Bachelor und Masterabschlüsse in Deutschland gibt, müssen diese von Akkreditierungsagenturen genehmigt werden. Dies geschieht auf Zeit. Im Moment läuft die so genannte Reakkreditierungsphase. Jetzt werden die akkreditierten Studiengänge erneut überprüft. Ein Missstand der bisherigen Verfahren ist, dass wenige Gutachter/-innen viele Verfahren absolviert haben. So ist der Eindruck entstanden, dass "eine Hand die andere wäscht." Die IG Metall verlangt, dass diese Reakkreditierungsmaßnahmen nicht von derselben Gutachtergruppe durchgeführt werden darf, die das Erstverfahren genehmigt hat.

Die Missstände im deutschen Bildungswesen sind bekannt und zahlreich benannt und angeprangert worden. Die Zeit ist überreif zu handeln. Die IG Metall fordert die Politik auf, die Weichen für ein sozial gerechtes und durchlässiges Bildungssystem zu schaffen.

Sie fordert die Politik auf, die Hochschulen aufgabengerecht auszustatten und die Vorgaben zur Einführung der neuen Studiengänge zu verändern, dass die Studiengänge studierbar und die Qualität von Studium und Lehre gewährleistet ist. Sie fordert die Verantwortlichen in den Hochschulen auf, die Spielräume, die Bologna bietet, zu nutzen, um die Situation für die Studierenden zu entschärfen. Studienganggestaltung muss in einem demokratischen Aushandlungsprozess organisiert werden, in dem die Hochschullehrer, die Studierenden, aber auch die Berufspraxis zu beteiligen sind.

Die Studierenden möchte die IG Metall ermutigen, sich weiter aktiv in die Veränderungsprozesse einzumischen. Sie selbst kennen die Probleme an ihrer jeweiligen Hochschule am Besten und können aktiv dazu beitragen, ein sozial gerechtes, auf Chancengleichheit und sozialer Durchlässigkeit beruhendes Bildungssystem zu schaffen.

Hintergrundinformationen als Download im Anhang:

Präsentation: Bologna: Anspruch und Wirklichkeit der Studiengänge
Broschüre: Studium als wissenschaftliche Berufsausbildung, Okt. 2009 (48 Seiten)

Letzte Änderung: 21.12.2009