Unbewegliche Arbeitgeber

02.06.2006 Die betriebsnahe Einmalzahlung in der M&E Industrie findet kaum Anwendung

Badische Zeitung vom 2.6.2006

Nach Angaben der IG Metall versuchten sich Unternehmen vor höherer Einmalzahlung zu drücken

Von unserem Mitarbeiter Heinz Siebold

FREIBURG. Mehr Flexibilität bei der Entlohnung fordern die Metall-Arbeitgeber seit langem. Der neue Tarifvertrag räumt diese Möglichkeit ein. Vereinbart wurde zusätzlich zur Lohnerhöhung von drei Prozent eine Einmalzahlung — deren Höhe von der wirtschaftlichen Lage des Betriebes abhängt. Doch selbst florierende Unternehmen versuchen nach Angaben des Freiburger IG-Metall-Chefs Hermann Spieß, um die Einmalzahlung herumzukommen.

Ihre Höhe liegt zwischen 310 und 620 Euro. Auf den veränderbaren Betrag kann aber auch verzichtet werden. Einigen müssen sich die jeweiligen Geschäftsleitungen und die Betriebsräte. Die Gewerkschaft und der Arbeitgeberverband brauchen nicht gefragt zu werden.

Die Einmalzahlung muss bei den Arbeitnehmern in tarifgebundenen Unternehmen auf der Mai-Abrechnung auftauchen. Wenn ein Unternehmen nicht zahlen kann oder will, hätte es das seinem Betriebsrat bis Ende Mai mitteilen müssen. Ein Betriebsrat, der einen höheren Betrag als 310 Euro für angemessen hält, hätte umgekehrt die Geschäftsleitung vor dem Monatsende dazu auffordern müssen.

"Es hat beides gegeben” , sagt der Freiburger IG-Metall-Geschäftsführer Hermann Spieß. Was ihn ärgert: Selbst gut gehende Unternehmen hätten versucht, sich vor der Einmalzahlung zu drücken. Nachdem die Betriebsräte jedoch ihre Zustimmung verweigert hätten, hätten die Betriebe den Mindestbetrag freigegeben. Namen will Spieß nicht nennen. Nach Informationen der BZ wollte der Halbleiterproduzent Micronas in Freiburg die 310 Euro nicht zahlen, blitzte aber beim Betriebsrat ab.

Andere Betriebe haben es abgelehnt, mehr als 310 Euro zu zahlen. Dazu gehört die Waldkircher Sick AG. Sie hat im vergangenen Jahr bei einem Rekordumsatz von 593,5 Millionen Euro einen Gewinn nach Steuern von 34 Millionen Euro erzielt. Das sind 16 Prozent mehr als 2004. Der Vorstand des Sensorherstellers hat die Forderung des Betriebsrates auf Zahlung von mehr als 310 Euro abgelehnt, weil er mit der Mitarbeitervertretung für 2005 eine freiwillige Erfolgsbeteiligung vereinbart hat. Sie liegt zwischen 580 und 780 Euro je Mitarbeiter.

Die Entscheidung, ob es eine solche Betriebsvereinbarung auch für das laufende Geschäftsjahr gebe, könne erst nach Abschluss dieses Jahres getroffen werden, sagte Sick-Sprecherin Antje Stein. Der Tarifvertrag erlaubt Firmen, die derzeit Ertragsbeteiligungen haben, die Aufstockung der Einmalzahlung abzulehnen.

Die Einmalzahlung soll nach dem Tarifvertrag eine Beteiligung am diesjährigen Geschäft sein, aber wie sich das noch entwickeln werde, sei eben unklar, argumentieren die Arbeitgeber. "Die Zeit nach dem Abschluss war zu kurz” , nimmt Stefan Krauss, Geschäftsführer der Südwestmetall-Bezirksgruppe Freiburg, die Unternehmer in Schutz. "Wäre Zeit bis Ende Juni gewesen, wäre vielleicht etwas anderes herausgekommen.”

Zudem seien die 310 Euro mehr als genug Belastung für die Betriebe. Wegen der Einmalzahlung betrage die Lohnerhöhung 3,4 Prozent. Das findet Krauss zu hoch.

"Die Arbeitgeber haben die betriebliche Komponente gewollt” , sagt Hermann Spieß. "Wenn sie wirklich Interesse daran haben, dann müssen sie diese Gelegenheit auch nutzen und zwar auch nach oben und nicht nur als eine weitere Möglichkeit, auf die Löhne zu drücken.” Andernfalls werde die IG Metall dieses Experiment nicht lange mitmachen.

In diesem Punkt sind sich Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter sogar einig: "Es muss in beide Richtungen funktionieren. Wenn nicht, dann kann man es auch lassen” , sagt Stefan Krauss. Beschäftigte bei den großen Automobilherstellern Porsche und Daimler-Chrysler können mit betrieblichen Prämien von 3000 Euro und mehr pro Jahr rechnen. Die tarifliche Einmalzahlung kommt als zusätzliches Taschengeld noch hinzu.

Letzte Änderung: 21.11.2007