Betriebsrat als poitiver Standortfaktor

Vorschaubild

07.11.2011 Vermehrte Anfragen bei der IG Metall in Südbaden bei Jobsuche von Facharbeitern und Ingenieuren nach Betrieben in der Region, die Betriebsratsgremien und Tarifbindung haben.

Quelle: Badische Zeitung (online); Montag den 4.November 2011; Autor: Thomas Winckelmann

"Betriebsräte haben viel Gutes getan"
Nach dem überraschenden Aus für die Firma Cleveland wirbt die Metallgewerkschaft für Mitarbeitervertretungen.

TITISEE-NEUSTADT. "Ohne Betriebsrat sind die Arbeitnehmer die Dummen", sagt die IG Metall und verweist auf das aktuelle Beispiel der Firma Cleveland in Löffingen. Der Betrieb wird im kommenden Jahr geschlossen, die Arbeitnehmer müssen entweder nach Wolfschlugen umziehen oder sich einen neuen Job suchen. Es gibt keinen ausreichenden Sozialplan, keine Absicherung der Arbeitsplätze.

"Wir haben in beiden Betrieben ein tolles Betriebsklima", erklärt Framo- und F. Morat-Geschäftsführer Gökhan Balkis. In dem Eisenbacher Unternehmen gibt es eine Mitarbeitervertretung, im benachbarten Betrieb F. Morat GmbH allerdings nicht. Balkis: "Wir sind bei der Framo sehr glücklich mit dem Betriebsrat und bei der F.Morat auch ohne." Dass in dem kunststoffverarbeitenden Betrieb kein Bedarf für einen Betriebsrat besteht, führt auch er auf die Struktur des Familienunternehmens und die Unternehmenskultur zurück. "Allerdings", meint Balkis zum Fall Cleveland in Löffingen, "wenn wir einen amerikanischen Mutterkonzern hätten, würde ich das anders sehen." Balkis: "Wir respektieren die Mitarbeiterrechte".

"Gerade in Betrieben mit unter 100 Beschäftigen wird das Betriebsverfassungsgesetz mit Füßen getreten", kritisiert der Geschäftsführer der IG Metall in Freiburg, Hermann Spieß, und betont, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auch ein Stück gelebte Demokratie sei. "Und", meint selbstbewusst Gewerkschaftssekretär Franz Ritter, der von seinem Waldshuter Büro aus rund 50 Betriebe in der Region betreut, "einige Betriebe würde es ohne die tatkräftige Unterstützung von Betriebsrat und Gewerkschaft heute nicht mehr geben".

Die Menschen hätten Angst vor Repressalien und dem Verlust des Arbeitsplatzes, vermutet man in der Gewerkschaft. Dabei räume das Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich den Arbeitnehmern das Recht ein, einen Betriebsrat zu wählen: Wenigstens fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer müssen in dem Betrieb ständig beschäftigt sein. Die Betriebsratswahl wird durch einen Wahlvorstand eingeleitet, der von einer Betriebsversammlung bestellt wird. Schon drei Arbeitnehmer, die einen Betriebsrat wünschen, genügen. Sie oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft dürfen zu einer Betriebsversammlung einladen.

"Die Sehnsucht nach einer Mitarbeitervertretung ist groß", weiß Franz Ritter aufgrund vieler Anfragen in seinem Gewerkschaftsbüro, "doch viele trauen sich nicht, nach Beratung und mit Unterstützung der Gewerkschaft die erforderlichen Schritte einzuleiten". "Dabei", betont Spieß, "kann den Leuten nichts passieren". Der Gesetzgeber habe einen besonderen Schutz vorgesehen: Wer sich um die Einrichtung eines Betriebsrates bemühe, habe vom ersten Augenblick an Kündigungsschutz, zudem dürften Betriebsratswahlen nicht behindert werden. Bei Verstößen drohe Arbeitgebern bis zu einem Jahr Haftstrafe.

Die Gewerkschafter betonen dabei auch, dass man die Mitarbeitervertretung nicht als "etwas Böses" betrachten dürfe. "Betriebsräte haben viel Gutes getan", erklärt Gewerkschaftssekretär Ritter. Gerade in den zurückliegenden Krisenjahren hätten Gewerkschaft und Betriebsräte in enger Zusammenarbeit mit den Firmen und Betriebsinhabern nicht nur zahlreiche Arbeitsplätze, sondern auch ganze Unternehmen gerettet. Als ein positives Beispiel führt Hermann Spieß unter anderem die Eisenbacher Firma Grieshaber an. Und, bestätigt Franz Ritter, "ohne Betriebsrat gäbe es in Neustadt auch keine Papierfabrik mehr". Die Gewerkschaft beschränke sich nicht nur auf die Vertretung ihrer Mitglieder, sondern führe, wenn ein Betrieb in Schieflage gerate, auch Gespräche mit Politik, Gesellschaftern und Banken, um die Arbeitsplätze und das Unternehmen zu retten. Auch bei notwendigen einschneidenden Maßnahmen in Betrieben sorge die Mitwirkung des Betriebsrates dafür, dass diese von der Belegschaft verstanden und akzeptiert werden. Spieß: "Die Menschen wollen mitreden und sich einbringen. Das kann doch nicht am Betriebstor enden."

"Die Stimmung hat sich geändert"

Schließlich, wirbt der IGM-Geschäftsführer, könne ein Betriebsrat auch ein Standortfaktor sein. Er verweist dazu auf vermehrte Anfragen von Facharbeitern und Ingenieuren, die einen neuen Arbeitsplatz suchen und sich im Freiburger Büro genau erkundigten, ob der Betrieb, für den sie sich interessieren, eine Mitarbeitervertretung habe und der Tarifbindung unterliege. Ist das nicht der Fall, entschieden sie sich oft für einen anderen Arbeitsplatz, bei dem diese Voraussetzungen stimmen.

"Die Stimmung gegenüber der Gewerkschaft hat sich geändert", sagt Spieß. Die Gewerkschaft, die im Dreieck Freiburg, Lörrach und Waldshut die Arbeitnehmer in Metall- und Elektrotechnik, Kunststoffverarbeitung, Textil und im Metall-, Kfz- und Elektrohandwerk vertritt, kann auch deutliche Mitgliederzuwächse verweisen. Rund 16 600 Gewerkschafter zählt das Freiburger IG-Metall-Büro in der Region. Spieß: "Das hat auch etwas damit zu tun, wie Betriebsräte Gewerkschaft und Arbeitgeber gemeinsam die Krise bewältigt haben.

Letzte Änderung: 07.11.2011