Extreme Kurzarbeit vorstellbar

Vorschaubild

09.11.2009 Badische Zeitung im Interview mit Jörg Hoffmann, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg

Quelle: Badische Zeitung vom 09.11. 2009, Jörg Buteweg

Interview
IG Metall hält extreme Kurzarbeit für vorstellbar
Der Bezirksleiter der IG Metall kann sich eine Arbeitszeitverkürzung auf bis zu 28 Wochenstunden vorstellen, um Stellen zu sichern: Das sagte Jörg Hofmann im BZ-Interview.
Wie will es die Industriegewerkschaft Metall es anstellen, dass massenhafte Entlassungen die Ausnahme bleiben? Das wollte BZ-Redakteur Jörg Buteweg von IG-Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann wissen.

BZ: Bis jetzt verhindert die Kurzarbeit in den Betrieben, dass dem Einbruch in der Produktion ein ebenso großer Personalabbau folgt. Trägt diese Brücke noch?
Hofmann: Noch trägt sie. Aber die Betriebe und die Mitarbeiter müssen schnell wissen, wie es weitergeht. Die auf höchstens 24 Monate verlängerte Kurzarbeit läuft nämlich zum Jahresende aus. Wenn ein Betrieb im Januar Kurzarbeit anmeldet, läuft die nur noch sechs Monate - wenn die neue Regierung die 24-Monate-Regelung nicht verlängert. Ende 2010 endet auch die besondere Förderung mit Übernahme der Sozialabgaben bei Kurzarbeit. Auch hier sollte die Regierung rasch die Verlängerung der Regelung beschließen, denn nur ein Paket aus beiden Maßnahmen macht Sinn.
BZ: Im nächsten Jahr sollte es ja auch ordentlich aufwärts gehen!
Hofmann: Das wäre schön, aber so sicher bin ich mir da nicht. Frühestens 2011 werden wir nach dem gewaltigen Einbruch wieder das Produktionsniveau von 2007 erreichen. In der Autoproduktion wird das wohl bis 2012/2013 dauern.
BZ: So lange reicht das Kurzarbeitergeld aber nicht. Hofmann: Dort wo konjunkturell bedingt schon. Aber wir werden auch strukturelle Veränderungen zu Lasten der Beschäftigung haben. Ich denke da vor allem an die Autoindustrie. Deswegen brauchen wir ein zusätzliches Instrument, um die Beschäftigung vor Arbeitslosigkeit zu sichern.
BZ: Wie soll das aussehen?
Hofmann: Ich denke an längerfristige Arbeitszeitverkürzung bis auf 28 Stunden für diese Belegschaftsgruppen. Für die Beschäftigten wäre der damit verbundene Lohnverzicht allerdings nicht mehr tragbar. Deswegen brauchen wir einen Ausgleich. Der Lohn darf nicht so stark sinken wie die Arbeitszeit.
BZ: Das wird aber für die Arbeitgeber ziemlich teuer. Deswegen hat der Arbeitgeberverband Südwestmetall ja schon klargestellt, dass die Arbeitgeber diese zusätzlichen Kosten nicht allein tragen wollen.
Hofmann: Damit es für die Arbeitgeber bezahlbar bleibt, könnte ich mir vorstellen, dass der Teillohnausgleich von Steuern und Abgaben freigestellt wird.
BZ: Sie wollen neben den Arbeitgebern auch den Staat samt Sozialversicherungen zur Kasse bitten?
Hofmann: Ich suche nach Wegen, Arbeitnehmer in Lohn und Brot zu halten. Die Arbeitgeber wollen ihre Fachleute nicht verlieren und für den Staat wäre eine solche Unterstützung gewiss billiger, als Arbeitslosigkeit zu finanzieren.

ZUR PERSON: JÖRG HOFMANN

Jörg Hofmann steht seit September 2003 an der Spitze des mit nun 428000 Mitgliedern mächtigsten IG-Metall-Bezirks. Er war der Wunschnachfolger des heutigen IG-Metall-Vorsitzenden Berthold Huber und gehört zu dessen Beratern. Er gilt als ruhiger, freundlicher, im persönlichen Umgang mitunter schüchtern wirkender Mensch.

Letzte Änderung: 09.11.2009