Micronas tritt auf Kostenbremse

12.10.2007 100 Jobs in Gefahr

Badische Zeitung vom Freitag, 12. Oktober 2007

Micronas tritt auf die Kostenbremse
Weil der Chiphersteller rote Zahlen schreibt, sind in Freiburg 100 Jobs in Gefahr / Das Unternehmen will sich aus der Krise sparen

Von Ronny Gert Bürckholdt

FREIBURG. Der defizitäre Chipbauer Micronas versucht mit einem Sparprogramm aus der Krise zu kommen. In Freiburg dürften etwa 100 Arbeitsplätze wegfallen — weltweit jede siebte der 2200 Stellen. Das Schweizer Unternehmen, der größte private Arbeitgeber in Freiburg, schreibt seit langem rote Zahlen. Unternehmenslenker Wolfgang Kalsbach prüfte alle Varianten, den Niedergang zu stoppen. Selbst ein Verkauf der größten Geschäftssparte und Werkschließungen waren im Gespräch. Ganz so schlimm kommt es nun nicht.

Micronas ist enorm unter Druck. Die Firma, für die in Freiburg 1700 Menschen arbeiten, machte in den ersten neun Monaten 2007 im laufenden Geschäft 38 Millionen Euro Verlust. Das teilte das Unternehmen gestern mit. Rasche Besserung ist nicht in Sicht: Bis Silvester wird sich das Jahresdefizit vor Sondereffekten auf etwa 55 Millionen Euro erhöhen.

Ursache ist das kränkelnde Geschäft mit Chips für Flachbildfernseher. Micronas habe Marktanteile an Konkurrenten verloren. Die auch in Freiburg gefertigten Elektronikteile sind die Herzen vieler TV-Geräte, bringen Bilder auf den Schirm und Töne zu den Boxen. Auf diesem Markt konkurriert Micronas mit einem Dutzend Firmen, die meisten davon Asiaten. Der Wettbewerb freut die Käufer, weil Fernsehgeräte preiswerter werden. Die Konkurrenz aber lässt bei den Produzenten die Gewinne schrumpfen — oder sie sogar in die Verlustzone rutschen.

Diese so genannte Consumersparte krempelt Kalsbach nun um. "Wir werden die Consumersparte bis 2009 wieder profitabel machen" , kündigte er gestern an. Um dies zu erreichen, will er bis dahin die laufenden Kosten um 40 Prozent drücken. Er streicht weltweit 300 der 1700 Stellen in dieser Unternehmenssparte. Nach BZ-Informationen werden am Standort Freiburg etwa 100 Jobs wegfallen. Es wird betriebsbedingte Kündigungen geben. Die Belegschaft wurde gestern informiert. Von Montag an verhandeln Geschäftsführung und Arbeitnehmervertreter über einen Sozialplan, also auch über die Höhe der Abfindungen.

Kalsbach sagte über den geplanten Stellenabbau: "Wir bedauern das. Wir brauchen unsere Mitarbeiter. Sie sind hochmotiviert und sie glauben wie wir, dass wir unsere Ziele erreichen werden."

Zusätzlich zum Sparprogramm in Europa will Kalsbach eine defizitäre Tochterfirma in den USA verkaufen, für die 120 Menschen arbeiten. Micronas hatte die Firma in Kalifornien 2005 für 80 Millionen Dollar in bar übernommen. "Dieser Verkauf wird mit hohem Verlust ablaufen" , sagte Hermann Spieß von der IG Metall. Der Gewerkschafter kritisierte, dass Micronas Teile der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Deutschland ins chinesische Schanghai verlagern will. "Die Entwicklung kann man genauso gut hier erledigen" , sagte Spieß. Unternehmenschef Kalsbach bestätigte zwar, dass die Entwicklungsabteilung in Fernost gestärkt werde. Aber von Verlagerung könne keine Rede sein. Wer für den chinesischen Markt produziere, müsse vor Ort forschen und entwickeln. Das habe mit dem europäischen Markt nichts zu tun.

Für die Beschäftigten in Freiburg hätte es laut Unternehmen noch schlimmer kommen können. Kalsbach prüfte in den vergangenen Monaten — mit Hilfe von externen Unternehmensberatern und offenbar unter hohem Zeitdruck — sogar einen Ausstieg aus dem Geschäft mit den Chips für die Unterhaltungselektronik. "Mit einem Verkauf oder einer Schließung der Consumersparte hätten wir aber sehr viel Geld vernichtet. Die Restrukturierung war die beste aller Optionen — auch für unsere Mitarbeiter."

Beobachter sehen den Umbau des Unternehmens bis 2009 als letzte Chance, die Wende zu schaffen. Gelingt dies nicht, ist ein Verkauf, eine Verlagerung oder eine Schließung der Consumersparte wahrscheinlich. Dann bliebe Freiburg nur noch der zweite, kleinere Geschäftszweig — die profitable Fertigung von Elektronikteilen, die in Autos eingebaut werden. Würde sich Micronas darauf konzentrieren, schrumpfte das Unternehmen auf ein Viertel seiner Mitarbeiter und ein Drittel seines Umsatzes. Kalsbach sagte gestern: "Über unser nun beschlossenes Restrukturierungsprogramm hinausgehende Pläne gibt es derzeit nicht." Hermann Spieß von der IG Metall sagte: "Es gibt derzeit keine Veranlassung zur Sorge um den Produktionsstandort Freiburg."

Nachdem das Sparprogramm bekannt geworden war, gewann die Micronas-Aktie um mehr als zwölf Prozent an Wert.

Letzte Änderung: 21.11.2007